Die Empfehlungen des Bürger:innenrats für Ernährungspolitik sind da!
Wie soll eine Ernährungspolitik für die Schweiz aussehen, die bis 2030 allen Menschen gesunde, nachhaltige, tierfreundliche und fair produzierte Lebensmittel zur Verfügung stellt? Zu dieser Frage hat sich während fast 6 Monaten der erste nationale Bürger:innenrat getroffen. 80 Bürgerinnen und Bürger wurden von einem unabhängigen Marktforschungsinstitut zufällig aus der Schweizer Wohnbevölkerung ausgewählt. Am Sonntag 6. November hat der Bürger:innenrat ein Paket von 126 Empfehlungen für die Transformation unseres Ernährungssystems verabschiedet, die nun an die Politik übergeben werden.
Eine sehr diverse Gruppe von Menschen aus allen Landesteilen der Schweiz arbeitet gemeinsam Empfehlungen aus: wie kann das funktionieren? Collaboratio helvetica war als Durchführungspartnerin von “Ernährungszukunft Schweiz” beauftragt mit dem Prozessdesign und der Moderation des Bürger:innenrates. Das Prozessdesign, welches in Zusammenarbeit mit unserer Partnerorganisation Citizens’ Democracy ausgearbeitet wurde, beinhaltete drei physische Treffen, 8 Online-Treffen in thematischen Arbeitsgruppen sowie eine Serie von Lernausflügen über den Sommer. Im Zentrum stand dabei der Dialog, angeleitet von professionellen Facilitator:innen: ein offener Austausch zwischen den Teilnehmenden, bei dem alle Stimmen und Meinungen gehört werden und mit der Zeit ein vertieftes gemeinsames Verständnis der Thematik entstehen kann.
In den verschiedenen Arbeitsgruppen ist eine sehr konstruktive Gesprächskultur entstanden, die es den Bürger:innen erlaubt hat, gemeinsam mehrheitsfähige Empfehlungen und Lösungsansätze auszuarbeiten. Dies hat sich insbesondere bei der Abstimmung am Abschlusswochenende gezeigt: 126 der insgesamt 137 ausgearbeiteten Empfehlungen wurden angenommen, davon 94 mit mehr als 75% Zustimmung des Gesamtbürger:innenrats und 6 Empfehlungen sogar einstimmig.
Die Erfahrung des Bürger:innenrats für Ernährungspolitik zeigt deutlich, dass eine Gruppe von zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern sich eine fundierte Meinung über ein sehr komplexes und systemisches Thema bilden und tragfähige Lösungen entwickeln kann. Die verabschiedeten Empfehlungen können der Politik und Administration als wichtige Information darüber dienen, wie sich ein Querschnitt aus der Schweizer Gesellschaft eine zukünftige Ernährungspolitik vorstellt. Dadurch kann ein Bürger:innenrat die bestehenden demokratischen Institutionen stärken und bei der Umsetzung von Lösungsansätzen für komplexe gesellschaftliche Herausforderungen unterstützen.
Was sind denn nun die Empfehlungen des Bürger:innenrats? Die Empfehlungen sind als Gesamtpaket zu betrachten und setzen die Hebel auf vielen verschiedenen Ebenen an: zum Beispiel bei den Informationen für Konsument:innen, bei der Förderung einer standortgerechten Landwirtschaft, der Reduktion von Food Waste oder dem Schliessen von inländischen Stoffkreisläufen. «Mich beeindruckt die Vielfalt, Anzahl und Qualität der Empfehlungen der Bürger:innenrats enorm. Es bestätigt Forschungsergebnisse, dass die Bevölkerung einen wichtigen Beitrag bei der Suche nach breit abgestützten politischen Lösungen zu komplexen Problemen leistet. Die Empfehlungen zur Ernährungspolitik sind, für die oftmals interessensdominierte Debatte über nachhaltige Lösungen, eine legitime und hochwertige Grundlage. Sie gehen weit über die Landwirtschaft hinaus und beziehen das gesamte Ernährungssystems mit ein», sagt Prof. Dr. Johanna Jacobi (ETH Zürich), Teil des wissenschaftlichen Kuratoriums und der Begleitforschung des Bürger:innenrats.
Bildrechte: Ernährungszukunft Schweiz. Fotografin: Caroline Krajcir, Zürich
Wie geht es jetzt weiter? Der Ball liegt nun bei der Politik, an welche die Empfehlungen übergeben werden. Nadia Catelli Matasci, 71-jährige Teilnehmerin des Bürger:innerats und Bergbäuerin aus dem Tessin, sagt: «Wir haben viel Zeit und Arbeit investiert für ein Thema, das uns alle angeht. Wir glauben und vertrauen darauf, dass unsere Empfehlungen auch tatsächlich in Angriff genommen und vor allem in konkrete Massnahmen umgesetzt werden».
Zu den Empfehlungen vom Bürger:innenrats
Über den Bürger:innenrat:
Seit Mitte Juni 2022 haben 80 Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen unter professioneller Moderation an der Leitfrage des Bürger:innenrats gearbeitet: „Wie soll eine Ernährungspolitik für die Schweiz aussehen, die bis 2030 allen Menschen gesunde, nachhaltige, tierfreundliche und fair produzierte Lebensmittel zur Verfügung stellt?“. An elf Sitzungen (vor Ort & online), und Lernausflügen erhielten die Mitglieder direkte Informationen von der Wissenschaft sowie Praxis und tauschten sich mit einer Vielzahl an Akteur:innen des Schweizer Ernährungssystem aus. Die Teilnehmenden konnten sich in ihren Arbeitsgruppen eine Meinung bilden, Grundursachen diskutieren und gemeinsam Lösungsvorschläge erarbeiten.
Über Ernährungszukunft Schweiz:
Das Projekt Ernährungszukunft Schweiz wird getragen von der Stiftung Biovision, dem Sustainable Development Solutions Network Switzerland (SDSN) und Landwirtschaft mit Zukunft. Diese Organisationen beauftragten collaboratio helvetica mit dem Prozessdesign und der Durchführung des Bürgerinnenrats. Das unabhängige Markt- und Forschungsinstitut DemoSCOPE wurde für das Projekt mit der Suche und zufälligen Auswahl der Teilnehmenden des Bürger:innenrats beauftragt.
Der Prozess wird vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützt und von zahlreichen Stiftungen finanziell mitgetragen.